Es war einmal eine Chaotin.. ;-)
  Leseprobe
 

 

Juli 2007

„Du musst dringend mal raus.., so für drei Monate, weg von Job und Stress. Keine Ermittlungen, keine Einsätze. Steckst mittendrin im Burnout. Du hast drei Tage Zeit - kümmer` Dich, sonst müssen wir`s tun.“

Was für eine Aussage!  Sie hallt in meinen Ohren. Und nun? Ich bin sowas von planlos.. Burnout? Was ist das denn überhaupt genau? Und wieso soll ich das haben? ICH? Eine gestandene Frau, die seit über 20 Jahren Verbrecher jagt. Die ihren Job liebt. Fast nie krank, selten frei, Urlaub nie länger als 2 Wochen, dafür Überstunden ohne Ende. Aber er macht doch Spaß, mein geliebter Beruf. Und Überstunden machen viele, bei dem akuten Personalmangel auch keine große Kunst.  Bin vielleicht bissel überarbeitet, bräuchte tatsächlich mal Urlaub. Mal raus, was anderes sehen und hören, dann geht's schon wieder.

Doch nun droht das „sonst müssen wir`s tun" und mir ist klar, dass ich diese Aussage ernst nehmen sollte. Panik überfiel mich. Wenn DAS der Dienststellenleitung gemeldet wird und ich zum Amtsarzt muss.. und dann  vielleicht nur noch Innendienst.. weiter denken wollte ich nicht..

Ich bin im Allgemeinen kein Schisser, nur weiß ich gerade überhaupt nicht, wie es weitergehen wird. Ich sitze im Auto irgendwo in Süddeutschland, vor mir ca. 400 km Autobahn nach Hause. Ich hatte mich so auf diesen Lehrgang gefreut und gestern dann dieser Zusammenbruch. Alles fing ganz harmlos an. Es ging um Stress und wie er entsteht, wie es beim Urmenschen im Vergleich zu heute ist. Und dann sollten wir unsere eigenen Stresskurven zeichnen. Auch noch kein Problem. Aber als es an die Auswertung ging und mein Diagramm im Gegensatz zu denen der anderen Kollegen echt extrovertiert aussah, kam ich ins Grübeln. Was ist DAS denn? Hab ich die Aufgabe nicht richtig verstanden?

Doch, ich hatte das Geforderte richtig umgesetzt. Und da sah ich das erstemal schwarz auf weiß, dass irgendwas nicht stimmte bei mir. Nur ahnte ich die Konsequenzen noch nicht. Die Trainer auf diesem Lehrgang nahmen sich Zeit für mich, fragten nach, welche Gründe es geben könnte dafür, dass ich offensichtlich im Dauerstress lebte. Immer unter Dampf, immer volle Kanne, immer da sein, oft für andere, meistens für den Job, nie für mich. Und das erstemal in meinem Leben saß ich hilflos wie ein kleines Kind auf meinem Stuhl, mit hängenden Schultern, hatte Tränen in den Augen, alles brach über mir zusammen. Ich erzählte, wie mein Alltag beginnt, wie ich – schon morgens unter Volldampf – im Büro ankomme und bei der ersten Kleinigkeit ausflippe.. die Kollegen, den Chef, Freunde in verbal aggressivster Art und Weise an- und niedermache. Und wenn ich dann in die Luft ging, kam das dem Rattern eines Maschinengewehres sehr nahe: Pampampampampam - kurz absetzen, nachladen, und nochmal: pampampampam. Schön ist anders.

Mich zwar dann auch wieder entschuldige – schließlich weiß ich, dass ich mich im Ton vergriffen habe – aber wenn man sich das x-te Mal für die gleiche Sache entschuldigen muss, irgendwann niemand  mehr wirklich an die Ernsthaftigkeit meiner Worte glaubte.

Am Ende brachte ich - tränenüberströmt – den Trainern gegenüber nur diesen einen Satz heraus, den ich in letzter Zeit so oft gesagt hatte: „Ich bin echt  platt, ich kann nicht mehr." Ich erkannte mich selbst nicht wieder. Bisher hatte ich es mir – zumindest im Beruf – immer verkniffen, Tränen zu zeigen. Wie passte das auch zusammen? Auf der einen Seite gemeinsam mit den Kollegen auf Verbrecherjagd und dann heulen? Ich doch nicht!

Auf der Rückfahrt vom Lehrgang war ich froh, dass der Freitag-Nachmittag-Verkehr auf der Autobahn nur ein gemäßigtes Tempo zuließ. Immer wieder musste ich den Kloß im Hals schlucken und doch liefen mir die ersten Stunden die Tränen. Wie sollte es bloß weitergehen?

Ich bin ein durch und durch irdischer Mensch, glaube nicht an den lieben Gott, bin weder evangelisch noch katholisch und habe mit Esoterik nichts im Sinn. Meine Devise lautet: jeder nach seinem Belieben, leben und leben lassen. Und ich bin Realist. Aber vor allem Optimist. Irgendwie geht es immer weiter.

Zu Hause angekommen, recherchierte ich erst einmal alles über Burnout, machte jeden Test, den ich im Internet fand.  Und einer fiel bescheidener als der nächste aus.. Da musste ich wohl jetzt durch.

Ich bin ein Mensch, der gern nach Plan arbeitet. Nach einer unruhigen Nacht und dem rabenschwarzen Kaffee am nächsten Tag hatte ich meinen Plan im Kopf. Ich werde mich krankschreiben lassen, für 3, höchstens 4 Wochen in ne Klinik gehen, zur Ruhe kommen, bissel Massagen, bissel in die Sonne gucken, dann werde ich schon wieder fit sein. Ich kam mir vor wie ein alter, verbrauchter Akku, der sich einfach nicht mehr ganz aufladen lässt. Allein, dass ich es mir gestattete, länger als 2 Wochen nicht ins Büro zu fahren, zeigte mir, dass ich wohl wirklich reif für `ne Auszeit bin. Nun musste ich erst einmal einen Arzt finden, weil, schon die Frage nach einem Hausarzt musste ich negativ beantworten.

Gesagt, getan. Krankschreibung. Erstmal für 2 Wochen. Danach war ich für ein paar Tage im Dienst, merkte aber schnell, dass es echt nicht mehr ging. Und bevor ich noch mehr verbale Ausraster bekommen konnte, ließ ich es lieber sein. Außerdem waren da die Trainer, die mich alle 3 Tage anriefen und wissen wollten, was ich erreicht habe. Bisher konnte ich lediglich vorweisen, dass ich mir übers Internet eine Burnout-Klinik gesucht habe. Um aber dort hinzukommen, benötigte ich ein Gutachten. Voller Hoffnung fragte ich den Arzt, den ich ja nun glücklicherweise hatte, ob er mir dieses Gutachten schreiben würde. Und dann wurde es ganz gruselig für mich. Ich sollte dafür zu einem Psychiater gehen! ICH! „Nie im Leben!" waren die ersten Worte, die ich daraufhin erwiderte.

Schon seit einigen Jahren fand ich es auffällig, dass man heutzutage nicht nur nen guten Zahnarzt oder Gynäkologen hat, immer öfter war von „mein Psychologe" die Rede. Und ich war Vertreter der Meinung, dass man sein Leben allein in den Griff bekommen sollte, ohne psychologische Hilfe zu beanspruchen. Einzige Ausnahmen, die ich zuließ, waren Menschen, die Opfer von Missbrauch, Misshandlungen, Vergewaltigung oder Katastrophen waren. Denen gestand ich das aus tiefstem Herzen zu. Aber ICH?? Wovon sollte ich Opfer sein? Und dann noch Psychiater, also die (für mich) verschärfte Form des Psychologen. NIE!

Ich telefonierte also wieder mit der Klinik, ob es nicht doch einen anderen Weg als über den Psychiater gibt. Nein. Ich bekam eine Adresse und die entsprechende Telefonnummer genannt – den Gang dorthin konnte mir jedoch niemand abnehmen.. Und mir graute soo davor. Wie sollte ich es schaffen, diese Schwelle zu übertreten? Psychologen und erst recht Psychiater – früher hab ich die als „Kalfaktoren" bezeichnet.

Und jetzt sollte ich selbst zu einem gehen? Wenn es nicht dieses „muss", das mir von den Lehrgangstrainern in den Ohren klingelte, gegeben  hätte, ich weiß nicht, ob es tatsächlich jemals dazu gekommen wäre. Aber – obwohl ich durch und durch Bauchmensch bin – irgendwann, wahrscheinlich mit einem Rest von Kraft, über die ich dann doch noch verfügte, schaltete sich das Hirn dazu und ich begriff, dass es wohl keinen anderen Weg gibt. Ich wusste, dass ich nicht drum herum kam und schließlich fand ich mich bei einer Psychiaterin wieder, die mir unheimlich war. Sie wirkte genervt, hektisch, ungeduldig, stellte allerlei Fragen, ließ mich nicht ausreden – alles in allem Unbehaglichkeit pur für mich. Als wäre es erst gestern gewesen sehe ich sie mit beiden Händen die PC-Tastatur bis über ihren Kopf heben und sagen, dass ich langsamer sprechen soll, wie solle sie sonst mittippen??! Am liebsten wäre ich abgehauen. Heute glaube ich, dass die Gute wohl selbst reif war für ne Auszeit.. Irgendwie brachte ich die drei Sitzungen, die es aber dann doch waren, hinter mich und hielt am Ende ein Gutachten in der Hand, das, auf den Punkt gebracht beinhaltete, dass ein armer, überarbeiteter Ossi völlig am Ende ist und mit seinem Leben nicht mehr klarkommt. So. Das hatte ich nun davon. Ganz tolle Wurst! Aber meine Kraft reichte nicht mehr aus, irgendwie darüber zu diskutieren. Ich nahm es hin, weil es für mich die Eintrittskarte in die Klinik bedeutete.

Zunächst gab es dann noch die Barriere der Kostenübernahme durch Krankenkasse und Beihilfestelle. Allen Ernstes verlangte man von mir, in die (örtlich) nächste Klinik - in meinem Fall die Uni-Klinik Köln - zu gehen. Genau. Ich gehe in die Klinik, in die ich in unregelmäßigen Abständen immer mal wieder Festgenommene bringe. Das würde bestimmt meine Genesung beschleunigen. Mit nicht ganz so zahmem Wortlaut fragte ich das bei der Krankenkasse nach; der zuständige Sachbearbeiter hatte dann aber doch ein Einsehen und genehmigte mir das Gezeiten-Haus.

Bewusst hatte ich mir die Privatklinik in Bad Godesberg ausgesucht. Zur Wahl standen für mich noch Kliniken im Bayrischen Wald, an der Nordsee oder in der Nähe von Wiesbaden. Ich wollte jedoch in der Nähe Kölns bleiben, im Unterbewusstsein vielleicht eine kleine Sicherheit, wenn mal gar nichts mehr geht, schnell zu Hause zu sein..

Dass es eine Klinik ist, in der nach Traditioneller Chinesischer Medizin behandelt wird, war mir nicht klar. Ich kenne mich. Wenn mir vorher jemand gesagt hätte, dass dort durch Moxa- oder Cranio-Sacral-Therapie behandelt wird, also glühende Kräuterzigarren bzw. so was ähnliches wie Handauflegen zum Einsatz kommen – nie im Leben wäre ich in dieser Klinik gelandet..

 

September 2007

Doch dann stehe ich tatsächlich da, ganz am Ende einer schmalen Straße, ganz oben auf einem Berg in Bonn. Ein an den Hang gebauter Flachbau, der gar nicht aussieht wie ein Krankenhaus. Wald ringsherum. Die Sonne scheint, die Vögel zwitschern, alles scheint so unschuldig. Noch kann ich zurück. Noch. Weil, was ich mal anfange, bringe ich in der Regel auch zu Ende. Und noch bin ich nicht drin. Ich muss mich einfach nur umdrehen, wieder ins Auto steigen und gut isses. Pustekuchen. Nix ist gut. Und weil ich das weiß, geh ich jetzt da rein. Los.

Nach dem Papierkram in der Verwaltung, Anmeldung, Krankenkasse, Aufnahmeuntersuchung und ähnlichem brachte ich zunächst meine Taschen in mein Zimmer. Zum Glück habe ich mir die Klinik Mitte August angesehen, sonst hätte mich wohl die Zimmergröße oder zumindest die dunkelbraunen Möbel in einem weiß gestrichenen Zimmer zunächst erdrückt. Bett, Schrank, Schreibtisch, Stuhl und Sessel, immerhin die Leselampe daneben munterte etwas auf. Sauber, aber sehr sachlich. Okay, ein Bild an der Wand – und wenigstens das in freundlichem, warmem Orange-Ton. Weil ich mir das Haus und auch die Zimmer schon angesehen hatte, war es okay für mich. Ich habe in meinem Leben – ob nun während meiner dreijährigen Lehrzeit oder während des Studiums in Berlin oder später, im Rahmen von Lehrgängen, schon in so verschiedenen Unterkünften gewohnt, dass ich darin kein Problem sah. Sehr sauber ist es, das ist das wichtigste, gemütlich werde ich es mir schon machen..

Dann hatte ich auch gleich noch das erste Gespräch mit „meinem" Therapeuten. In einer Geschwindigkeit, die typisch war für mich, erklärte ich ihm, dass ich in den letzten 4 Jahren wohl bissel viel gearbeitet habe, dadurch auf ca. tausend Überstunden gekommen sei, von denen ich mir jedoch schon einige auszahlen ließ, jetzt aber das Burnout auf den Kopf zugesagt bekam und bereit bin, 3, maximal 4 Wochen meines Lebens zu investieren, um wieder fit zu werden. Immerhin. Im Übrigen hätte ich Mitte Oktober den nächsten Lehrgang, den ich bitte nicht verpassen wollte.

Der Therapeut, Oberarzt in dieser Klinik, war nett. Ganz anders, als ich es mir immer vorgestellt hatte. Endlich mal jemand, der mich ausreden ließ. Als er mir freundlich, aber doch mit gewissem Nachhalt erklärte, dass 3-4 Wochen eher illusorisch sind, war das Lächeln auf meiner Seite: „Ich schaff das schon. Glauben Sie mal." Schließlich war ich kein Schmerzpatient. Auch Puls und Blutdruck waren normal. Nur bissel überarbeitet eben. Ich sei ja auch bereit, mitzuarbeiten, würde mich nicht sperren, wenn ich merke, dass es mir hilft. Da müssten maximal 4 Wochen doch wirklich ausreichen, um mich wieder fit zu machen. Doch wie weit daneben sollte ich mit meiner Prognose liegen..

 

Was jetzt folgt, versuche ich auf der Grundlage eines Tagebuches, dass ich während meines Klinik-Aufenthaltes aktuell führte, so realistisch wie möglich wiederzugeben. Vieles sehe ich heute anders. Gelassener. Aus einem ganz anderen Blickwinkel. Doch ich werde die Erlebnisse und Erfahrungen, die ich während der 11 Wochen, die ich dann doch in der Gezeiten-Haus-Klinik in Bad Godesberg verbrachte, weder verfälschen noch beschönigen. Und ich habe bewusst auch die Tage mit aufgeführt, die eigentlich nicht erwähnenswert wären, einfach, weil sie dazugehören.

Bitte erwarten Sie jetzt keine wissenschaftliche Abhandlung; in diesem Vorspann werden Sie bemerkt haben, dass ich so schreibe, wie ich denke und also haben Sie Nachsicht, wenn ich auch mal fluche oder mich mit einem Augenzwinkern  ausdrücke. Dies soll weder ein „nur-so-geht`s“ noch ein „muss“ sein; ich möchte Ihnen lediglich zeigen, dass es zu schaffen ist. Bitte haben Sie Geduld mit sich. Nur Mut, ich habe das auch gelernt.

Und ich würde mich freuen, wenn aufgrund meiner Schilderungen noch möglichst viele Menschen die Krankheit Burnout besiegen können, weil sie bereit waren, Hilfe zur Selbsthilfe anzunehmen und dann ihren Weg gefunden haben – so wie ich den meinigen, zu meinem Blau.

========================================================================
WENN SIE ALLES LESEN WOLLEN, KÖNNEN SIE HIER BESTELLEN:
http://www.epubli.de/shop/showshopelement?pubId=3711

Viel Spass beim Schmökern!

 

 
  49199 Besucher (148908 Hits)  
 
Diese Webseite wurde kostenlos mit Homepage-Baukasten.de erstellt. Willst du auch eine eigene Webseite?
Gratis anmelden